Künstlerportrait: Dirk Behlau | General Anzeiger Bonn
General Anzeiger Bonn, 01.05.2021
Der Spieler
Der Bonner Bonner Fotograf und Video-Regisseur Dirk Behlau genießt einen exzellenten Ruf in der internationalen Rockmusik-Szene. Zu seinen Kunden gehören Motörhead und Leningrad Cowboys.
Von Dylan Cem Akalin
Der Mann ist eine Mischung aus Glücksritter, großem Kind mit Spieltrieb und kreativem Freigeist. Und wenn Dirk Behlau von seinem Leben erzählt, das geprägt ist von einer Kette glücklicher Zufälle, waghalsiger Risiken und unwahrscheinlicher Begegnungen, dann wähnt man sich wie in einer modernen Fassung der Candide-Novelle Voltaires: das beneidenswerte Leben eines hoffnungslos überzeugten Optimisten.
Der 50-Jährige, der sich als „Endenicher Jong“ bezeichnet, zählt zu den international erfolgreichsten Fotografen und Video-Regisseuren, der sich als „The Pixeleye“ vor allem einen Namen in der Metal-Rock-Szene, unter anderem mit Bildern und Videos von Motörhead und Leningrad Cowboys, gemacht hat. Seine eigene Bildästhetik aus der Rock´n Roll-Welt ist gleichzeitig Kult in der Szene der Hot Rods, Kustom Kulture, Pin-Ups und bei Liebhabern umgebauter Motorräder.
Die acht Semester Jura, die er studierte, habe er insbesondere für seine Eltern absolviert, sagt er. Nebenbei hatte der junge Mann aber auch Bands gemanagt, einen eigenen Musik-Mailorder gegründet und bei einer Unternehmensberatung in Bad Godesberg gearbeitet, zunächst als „Mädchen für alles“, dann als Designer und Kreativdirektor. Behlau schmeißt das Studium hin und beschäftigt sich Mitte der 90er Jahre immer mehr mit dem neuen Medium Internet. Als Grafikdesigner und PR-Berater arbeitet er bei einem Kölner Systemhaus. Aber die freie Kulturszene lässt ihn nicht los.
Dirk Behlau ist eine schöpferische Dampflok. Anders kann man die Energie des Bonners nicht beschreiben. Er gestaltet nicht nur Plattencovers, begleitet Promotionaktionen, wie zuletzt die für Rockschocker Alice Cooper, macht Fotos von Künstlern, Musikern und Autonarren, er dreht auch Musikvideos, produziert und macht selbst Musik. Gerade ist das neue Album seiner Synthwave Band Diamond Kobra erschienen.
Und weil bei Behlau ja kaum ein Projekt den gewöhnlichen Weg nimmt, gibt es zu dieser Band auch eine irre Rahmengeschichte, die er sich dazu ausgedacht hat, und er selbst kommt auch nur mit dem Pseudonym Otto Løfgren vor. Wieso das alles? „Weil alles andere zu gewöhnlich wäre. Außerdem finde ich so eine mysteriöse Geschichte über eine schwedische Band auch viel interessanter“, sagt Behlau lachend.
Behlau entwirft also zum Konzeptalbum auch noch eine frei erfundene Legende. Man kennt solche Konzeptionen aus der Rockgeschichte, die berühmteste ist vielleicht „Thick as a Brick“ (1972) von Jethro Tull. Hier geht es um ein mysteriöses Demoband der Geschwister Elin & Emeli-Sofi Lundin aus Schweden, die 1984 eine Band namens Diamond Kobra gegründet haben sollen. Die Aufnahmen verschwinden nach einem verheerenden Wintersturm und tauchen 34 Jahre später wieder auf. Otto Løfgren, ein talentierter Programmierer und Tech-Nerd, und sein Kumpel Bjørn Bors Baconsson tun sich mit Freunden und Musikerkollegen zusammen, um die Musik wieder zum Leben zu erwecken.
Darum dreht sich das Album „The Arrival“ (2019), für das Behlau namhafte Gastmusiker gewinnen konnte, darunter Hansi Kürsch von Blind Guardian, JM von Psychopunch und K.D. Johansen von Supercharger. Und auch auf der Fortsetzung des irren Plans, das unter dem Titel „Return of the Starbeast“ gerade erschienen ist, machen bekannte Musiker mit, darunter zum Beispiel Phil Soussan, Bassist und Songwriter bei Ozzy Osbourne, Billy Idol und viele andere. Wie kommt er zu den Kontakten?
Behlau lacht. „Ich bin großer Ozzy-Fan, seit ich 12 Jahre alt bin. Und Phil Soussan fand ich auch schon immer großartig. Er hat so viele Sachen gemacht und auch für Jimmy Page, Steve Lukather, Edgar Winter oder Richie Kotzen gespielt. Er lebt in Las Vegas, und ich habe ihn einfach angeschrieben, ihm die Idee beschrieben, die Tracks geschickt – und schon war er dabei.“
Weitere Musiker sind Marcus Siepen (Blind Guardian), Johanna Sadonis (Lucifer), Chris Amott (Dark Tranquillity, Ex-Arch Enemy), Joey Concepcion (Ex-Sanctuary, The Absence), Caroline “Rippy” Portillo (Ex-Tito & Tarantula, The Division Men), J. Spencer Portillo (The Division Men), Laura Scarborough, die ungewöhnliche Songwriterin und Multi-Instrumentalistin aus Austin, Texas, und viele andere.
Sein erstes Musikvideo drehte er für die legendären Leningrad Cowboys aus Helsinki. Das war vor 12 Jahren. Zuvor hatte er sowas noch nie gemacht. „Ich brauche die Motivation, dass es sich richtig lohnt“, sagt er dazu schlicht. Er sei nicht der „Typ, der zu Hause rumprobiert und bis ins kleinste Detail plant. Das funktioniert bei mir nicht“. Klingt nach ziemlich viel Druck und Stress. „Überhaupt nicht“, meint Behlau. „Ich plane auch in meinem Lebens nichts. Ich lasse alles auf mich zukommen“, sagt er.
Und so war es auch damals in Helsinki. „Wir sind mit der Band durch Helsinki gefahren, als ich diese alte Dampflok entdeckte und meinte, das wäre eine super Location.“ Einer der Band kannte zufällig den Besitzer. Am nächsten Tag haben wir gedreht. Was sich schwer nach Improvisation anhört, ist doch harte Arbeit. Denn bei der Umsetzung seiner Bildvorstellungen überlässt Behlau doch nichts dem Zufall. Er dreht, schneidet und koloriert sein Material komplett alleine. „Ich weiß genau, wie es aussehen soll. Das ist auch beim Fotografieren so.“
Dabei ist er derart in seine Arbeit vertieft, dass er kaum etwas um sich herum wahrnimmt, was nichts mit der direkten Arbeit zu tun hat. „Ich bin total fokussiert, und manche denken zunächst, ich sei ein arroganter Idiot, weil ich manchmal nicht antworte. Aber es ist so, dass ich es einfach nicht höre“, erzählt Behlau und lacht.
Man merkt Behlaus Fotos an, wie nah ihn seine Protagonisten heranlassen. Fotografieren sei eh eine intime Angelegenheit, meint er. „Und als Fotograf musst du oft auch Psychologe und Coach sein. Du musst wissen, wo die Grenzen deines Gegenübers sind, sie respektieren und dennoch den Charakter herausschälen.“ Zum professionellen Umgang gehöre auch der Abstand, dennoch spricht Behlau nicht von „Geschäftspartnern“, sondern oft von „Kumpels“. „Ich habe mir über die Jahre einen Ruf erarbeitet, weil die Leute mir Vertrauen und Sympathie entgegenbringen.“ So ergibt sich häufig ein Auftrag nach dem Nächsten. Und viele bleiben dem Bonner als Auftraggeber jahrelang treu. „Mit einigen bin ich wie verheiratet“, sagt er lachend.
Auf dem Festival in Wacken drehte er für einen Headliner eine Dokumentation, schoss am nächsten Tag in Köln die Fotos für das neue Ice-T/Body Count Album und lichtete am nächsten Tag im Ruhrpott die amerikanische Metal-Legende Sanctuary ab. Mit den Jungs von Leningrad Cowboys sei er mittlerweile so eng befreundet, dass sie ihn einfach zum Klönen einfliegen ließen. Dass er praktisch der Hausfotograf der Krefelder Metal-Legenden Blind Guardian geworden ist, habe sich auch aufgrund eines Projekts so entwickelt. „Es fing mal mit einem Dreh für eine Wiederveröffentlichung an. Danach fragten sie, ob ich mit nach Prag komme, dann nach London und so weiter.“
„Bei den Bildern geht es einerseits darum herauszufinden, wie sich die Band oder die Musiker selbst sehen, andererseits kannst du niemanden cool erscheinen lassen, der es nicht auch selbst ist“, sagt Behlau.
Dazu muss man sich nur das Video „Gotta Go“ von Ski King anschauen. Der Mann aus Oregon, der in Deutschland lebt, macht einen lässigen Country, etwas Gothic-Rock, Rock und Rockabilly. Das Gesicht mit den tätowierten Koteletten, die schwarzen Klamotten und die entspannte Körperhaltung auf den Eisenbahnengleisen lassen sich einfach gar nicht anders inszenieren.
Und genau das macht die Bilder Behlaus aus: So sehr sie auch inszeniert zu sein scheinen, strahlen sie wiederum Spontaneität aus. Und dieser authentische Stil kommt so gut an, dass selbst ein Bonner Fleischer und ein Zahnarzt Imagefilme von Behlau drehen ließen.
Das nächste Projekt? „Ich arbeite an einem 80er-Jahre-BMX-Kalender. Ich steht auf so Nostalgiezeug.“ Und wieder hat ihm der Zufall geholfen. Rainer Schadowski, der in Karlsruhe ein BMX-Museum betreibt, habe ihm Zugang zu jeder Menge originalen Gegenständen aus der Zeit verholfen.
Seine Arme sind voller Tattoos. Da sind unter anderem ein Atari-Joystick zu sehen, Monster und Science-Fiction-Figuren, herumfliegende Schrauben. Was aber ins Auge sticht, das sind ein paar Würfel und eine Ass-Karte am Oberarm. Ist er ein Spieler? „Es gibt Freunde die sagen, ich sei wie Gustav Gans. Ich habe echt oft Glück. Ich lasse zum Beispiel auf einem Festival meine Jacke liegen – und irgendjemand bringt sie mir zu Hause vorbei“, sagt Behlau. Ja, er sei ein Optimist, aber einer, der auch daran glaubt, dass im Scheitern eine neue Chance liegt. „Das haut mich aus der Komfortzone. Der Spieler in mir, der versucht immer auszutesten, wie weit ich gehen kann.“
Quelle: General Anzeiger Bonn, 01.05.2021